Krankheitsbilder
Psychosomatische Erkrankungen
Mit Psychosomatik wird in der Medizin die Lehre von der Verflechtung zwischen geistig-seelischen Zuständen und körperlichen Erkrankungen bezeichnet.
Unabhängig von der genauen Diagnose kann jede Krankheit als zumindest psychosomatisch mitbedingt charakterisiert werden. So ist es z.B. legitim, anzunehmen, dass eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Infekt entwickelt, nicht nur weil der Körper in Kontakt mit einem Krankheitserreger kam, sondern weil gleichzeitig auch die Seele belastet war, z.B. durch Stress.
Psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinne umfassen in erster Linie Gesundheitsstörungen, die durch das Auftreten körperlicher Krankheitssymptome bei fehlenden bzw. nicht ausreichend deutlichen organischen Befunden gekennzeichnet sind. Man leidet - aber der Arzt findet „nichts“. Für die Feststellung einer psychosomatischen Störung ist dabei der Nachweis eines seelischen Konfliktes oder einer entsprechenden Belastungssituation unabdingbar. (Das Fehlen einer organischen Ursache alleine reicht für die Diagnose nicht aus.)
Zu den psychosomatischen Erkrankungen im oben genannten Sinn gehören die so genannten „somatoformen Störungen“, aber auch Begriffe wie „Herzneurose“, „Reizdarm“ u.v.a.m sind hier einzuordnen.
Körperliche Erkrankungen, bei deren Entstehung eine weitgehende seelische Mitbeteiligung vermutet wird oder bekannt ist, sind z.B. Asthma bronchiale, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
Im Sinne eines ganzheitlichen Krankheitsmodells muss – wie eingangs beschrieben – ein Entstehungsgefüge aus somato-psychosozialen Bedingungen für jedwede Gesundheitsstörung angenommen werden.
Relativ häufig führen psychosomatische Erkrankungen zu depressiven Verstimmungen, wobei umgekehrt Depressionen eine Anfälligkeit für das Auftreten (psycho-)somatischer Störungen verursachen.
Gerade bei älteren Patienten mit zum Teil chronischen und vielfältigen körperlichen Erkrankungen kann ein komplexes Zusammenspiel aus körperlichen und seelischen Faktoren in der Krankheitsentstehung und -Aufrechterhaltung beobachtet werden.
Die Verursachung psychosomatischer Erkrankungen wird aus psychotherapeutischer Sicht einerseits mit bestimmten lebensgeschichtlich erworbenen und charakterlich determinierten Faktoren, andererseits mit kognitions- und verhaltenspsychologischen Prozessen in Verbindung gebracht.
Moderne neurobiologische, psychoimmunologische und verwandte Untersuchungen ergänzen die Kenntnisse zur Genese der Erkrankungen um wirksame organische Mechanismen. Hier könnten in Zukunft interessante Interventionsmöglichkeiten z.B. durch Medikamente entwickelt werden.
Entgegen frührer Vermutungen sind psychosomatische Erkrankungen recht gut behandelbar. Schwierig ist es aber sehr häufig, die Patienten entsprechend zu motivieren bzw. einer geeigneten Therapie zuzuführen:
Leidet eine Person unter körperlichen Beschwerden so wird der Hausarzt aufgesucht. Dieser stellt in der Regel zunächst eine körperliche Ursache für die Symptome fest, formuliert eine Diagnose und empfiehlt eine Behandlung. Liegt die Krankheitsursache nun aber (vornehmlich) im seelischen Bereich wird die Therapie wie auch alle weiteren körperlichen Behandlungsversuche fehlschlagen. Der Patient wird nicht nur enttäuscht und schließlich von Arzt zu Arzt geschickt, oftmals reagieren die aufgesuchten Behandler zunehmend mit Unwillen auf den „schwer“ zu behandelnden Patienten. Im Verlauf wirkt das Verhalten der Ärzte auf den Patienten immer abweisender. Gleichzeitig wird der einseitige Blickwinkel auf eine körperliche Verursachung durch zahlreiche Arztbesuche mit Diagnosen, Verordnungen, Untersuchungen etc. subjektiv immer deutlicher bestätigt. Der Patient glaubt mit jedem Arztbesuch mehr, eine möglicherweise seltene körperliche Erkrankung zu haben, sucht immer hartnäckiger ärztliche Hilfe, stößt immer öfter auf ärztlichen Unwillen bis schließlich jemand auf die Idee kommt, eine seelische Krankheitsursache zu vermuten, was vom Patienten dann oftmals als Kränkung und Ausdruck von Ablehnung interpretiert wird.
Viele der Betroffenen begeben sich daher eher aus Verzweiflung und Hilflosigkeit in psychiatrische Behandlung als dass sie überzeugt sind, von einer entsprechenden Therapie zu profitieren.
Im Rahmen der Behandlung steht die Diagnostik an erster Stelle. Es ist nämlich nicht nur unabdingbar, eine körperliche Verursachung der Symptomatik auszuschließen und notwendig, die seelische Verursachung durch die Erarbeitung entsprechender Konflikte bzw. Belastungen nachzuweisen. Dieses Vorgehen dient gleichfalls der Vertrauensbildung. Der Patient erhält die Möglichkeit, den Weg der Diagnosefindung selbst mitzugehen, zugrundeliegende seelische Vorgänge nachzuvollziehen, sich und die Entstehung der Krankheit besser zu verstehen und somit auch sich ergebende Behandlungsnotwendigkeiten einzusehen.
Nach Abschluss der Diagnosephase erfolgen im Austausch mit dem Patienten die Formulierung von Problemhypothesen und entsprechenden Lösungsstrategien. In Einzelgesprächen werden individuelle Störungsbilder und deren Therapiemöglichkeiten erarbeitet, im Rahmen von Gruppenbehandlungen allgemeineres Wissen über Entstehungsbedingungen, Mechanismen zur Aufrechterhaltung der Störung und Verhaltensweisen zur Besserung der Symptomatik vermittelt.
In einigen Fällen kann auch eine (heute noch eher unspezifische) Behandlung mit Psychopharmaka den Heilungsprozess unterstützen.