Krankheitsbilder
Computerspiel- und Internetsucht
Die Nutzung des Mediums Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten ist sowohl im privaten als auch vor allem im beruflichen Bereich in unserer Gesellschaft seit einigen Jahren selbstverständlich und zumindest in der Arbeitswelt inzwischen unverzichtbar.
Seit etwa zehn Jahren wird ein Phänomen beobachtet, das "pathologischer Computer- oder Internetgebrauch" genannt wird. Es zeichnet sich bei den Betroffenen durch eine exzessive Computer- und Internetnutzung aus, die bis hin zu einem Abhängigkeitsverhalten reichen kann. Einen besonders breiten Raum nimmt dabei die Online-Computerspielsucht ein, d. h. die Abhängigkeit von im Internet angebotenen und dort gespielten Onlinespielen. Obwohl die Suchtberatungsstellen in den letzten Jahren eine steigende Nachfrage in der Behandlung dieser Störung verzeichnen, ist noch nicht abschließend geklärt, wann man tatsächlich von einem Abhängigkeitsverhalten sprechen kann. Belegt ist, dass die reine Nutzungszeit des Computers kein belastbares Kriterium für einen pathologischen Internetgebrauch ist. Hinzu müssen vielmehr andere Faktoren kommen, die in der Regel in der Person des Betroffenen liegen. Von einer Suchterkrankung wird man erst dann sprechen können, wenn das Spielen bzw. die Internetnutzung derart exzessiv betrieben wird, dass andere Anforderungen des täglichen, sozialen und beruflichen Lebens völlig vernachlässigt werden. Erst wenn der Betroffene unfähig ist, seine Internetnutzung zu kontrollieren, kann man von einer Suchterkrankung sprechen. Aktuelle internationale Studien, für die vorwiegend Jugendliche befragt wurden, stufen zwischen 1,6 und 8,2 Prozent der Internetnutzer als "abhängig" ein.
Die vom Bundesministerium für Gesundheit seit Ende 2010 geförderte repräsentative Studie „Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA)“ der Universität Lübeck und der Universität Greifswald beziffert zum ersten Mal die Häufigkeit der Internetabhängigkeit in Deutschland. Etwa 1 Prozent der 14- bis 64-Jährigen in Deutschland wird demnach als internetabhängig eingestuft und 4,6 Prozent dieser Altersgruppe werden als problematische Internetnutzer angesehen. In der Regel sind Jugendliche und junge Erwachsene häufiger betroffen. So ist in der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen die Verbreitung am größten: 2,4 Prozent abhängige und 13,6 Prozent problematische Internetnutzer. Dabei fällt auf, dass der Anteil der Frauen – vor allem in der Gruppe der 14 bis 16-Jährigen – deutlich größer ist als der Männeranteil. Allerdings nutzen die auffälligen Mädchen und Frauen vorwiegend soziale Netzwerke im Internet (77,1 Prozent) und eher selten Onlinespiele (7,2 Prozent).
Onlinesucht ist nicht das Problem bestimmter gesellschaftlicher Schichten; sie kommt in allen sozialen Gruppen vor.
Menschen mit pathologischem Internetgebrauch weisen oft andere psychische Erkrankungen, sogenannte komorbide Störungen auf. Dies sind häufig Depressionen, affektive Störungen, ADHS, aber auch Substanzmissbrauch in Form von Alkohol und Nikotin.
Im Vergleich zu der bisher gültigen Schätzung von 3,2 Prozent Internetabhängigen finden sich bei der PINTA-Studie niedrigere, dennoch bedeutsame Raten. Weitere Studien mit vertiefenden Analysen sind jedoch notwendig, um eine Einschätzung zu ermöglichen, ob ein besonderer Bedarf für Prävention oder Behandlungsangebote besteht.
Sowohl in der Abteilung Suchtmedizin als auch im LWL-Rehabilitationszentrum Südwestfalen der LWL-Kliniken Lippstadt und Warstein werden Betroffene nur behandelt, wenn die Spielsucht nicht das führende Problem darstellt, sondern eine andere stoffgebundene Suchterkrankung besteht.